Juristische Chronik der Entscheidungen im Bär-Bruno-Prozess, beginnend mit der aktuellsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, das die Verfassungsbeschwerde gegen die Klageabweisung als unzulässig mit Beschluss vom 30.07.2008 nicht zur Entscheidung angenommen hat.

Das BVerfG hat durch Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats ( Az: 1 BvR 1172/08) die Bär-Bruno-Verfassungsbeschwerde ohne Begründung nicht zur Entscheidung angenommen mit folgendem Satz:

” Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Von einer Begründung wird nach § 93 d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen. Die Entscheidung ist unanfechtbar.”

Diese Verfahrensweise des Bundesverfassungsgerichts, Verfassungsbeschwerdeentscheidungen trotz zulässiger Einlegung und ordnungsgemäßer Grundrechtsrügen nicht zu begründen, ist juristisch, verfassungspolitisch und verfassungsrechtlich äußerst umstritten und stellt für fachkundige Anwälte und ihre Mandanten sehr häufig eine unhaltbare Zumutung dar.

Diese erst 1993 auf Grund einer Gesetzesänderung eingeführte Entscheidungspraxis wird von nicht wenigen Verfassungsjuristen selbst für verfassungswidrig und rechtsstaatswidrig erachtet. Diese Gesetzesänderung hatte damals Bundeskanzler Kohl ermöglicht, weil das BVerfG vor allem wegen der Arbeitsbelastung aufgrund der Deutschen Einheit eine solche Änderung gewünscht und nach damaliger Einschätzung von Journalisten wohl auch den Gesetzesvorschlag selbst im Wesentlichen formuliert hatte.

Natürlich ist ein solches Verfahren für viel beschäftigte Richter arbeitserleichternd, für die um ihre Grundrechte nachsuchenden Bürger jedoch unerträglich, zumal auch über eine Akteneinsicht keinerlei Erkenntnisse über die Entscheidungsgründe gewonnen werden können. Der Bürger kann somit nicht einmal nachvollziehen, ob seine Verfassungsbeschwerde und seine Grundrechtsrügen überhaupt ordnungsgemäß inhaltlich zur Kenntnis genommen worden sind.

Rechtsanwalt Riechwald hat hierauf fristgerecht Beschwerde zum Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg eingereicht gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichts München, die sogenannte Bär-Bruno-Klage über den Feststellungsantrag, dass der Abschuss des Bären rechtswidrig war, nicht anzunehmen bzw. als unzulässig abzuweisen.

Gerügt wird eine Verletzung des Rechtes auf ein faires Gerichtsverfahren nach Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Die Verweigerung des Rechtsschutzes für jeden Bürger gegen staatliche Eingriffsakte in die europarechtlich geschützte Natur und streng geschützte Tier- und Pflanzenwelt trotz entgegenstehender Rechtsmittelbelehrung ist unfair.

Der schleichenden unangemessenen Einschränkung unserer Grundrechte muss auch in diesem Falle entgegengewirkt werden!

Immerhin gibt der EUGH, der leider nicht in diesem Fall von Bürgern angerufen werden kann, sondern nur von nationalen Gerichten, neuerdings den Bürgern auch ein Klagerecht in den sogenannten Feinstaubfällen.

Diese Grundsätze müssen auch bei staatlichen Eingriffen in die Natur für örtlich betroffene Bürger gelten!

Natürlich ist der Europäische Menschengerichtshof überlastet mit Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen in ganz Europa und somit erscheint der Bärenfall auf den ersten Blick als Bagatellfall. Die Missachtung des Rechtes auf ein faires Gerichtsverfahren durch Klageabweisung mit der Begründung, niemand habe ein Klagerecht selbst “bei rechtswidriger Entnahme eines geschützten Wildtieres aus der Natur “- wie es sarkastisch heißt, -ist aber nur scheinbar eine unwichtige Bürgerangelegenheit, sondern ein gravierender Verstoß des Staates und der Justiz gegen das Prinzip effektiver demokratischer Bürgerkontrolle der Staatsmacht mit Hilfe der Gerichte nach unserem Demokratie- und Rechtstaatsprinzip unseres Grundgesetzes.

Eine solche Verfahrensweise ist vielen Bürgern juristisch nicht mehr verständlich angesichts der grundsätzlichen Bedeutung dieses Falles, die ausführlich in der Verfassungsbeschwerde behandelt wurde.

Die ohne jegliche Begründung ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zeigt die großen Mängel unseres Rechtsschutzsystems und die Erosion unserer Grundrechte in unserem Lande, hier des Rechtsschutzgrundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG.

Das BVerfG billigt ohne Begründung die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, dass durch den Abschuss des Bären Bruno niemand in seinen Rechten verletzt sei, kein örtlich betroffener Anwohner, kein Bürger und auch kein Naturschutzverband!

Der naturschutzrechtlich und tierschutzrechtlich auch nach Europarecht eindeutig rechtswidrige, weil unverhältnismäßige staatliche Verwaltungsakt der Anordnung des Bärenabschusses mit Rechtsmittelbelehrung über Widerspruchs- und Klagemöglichkeit soll durch niemanden angreifbar sein, wobei die Behörden zur Begehung dieser Freveltat auch erhebliche Steuergelder vergeudet haben!

Die Bundesrepublik Deutschland ist bereits vom Europäischen Gerichtshof verurteilt worden, weil die sogenannte Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie über den europaweiten Tier- und Pflanzenschutz nicht in deutsches Recht umgesetzt worden war.

Nachdem man endlich die Umsetzung in das Bundesnaturschutzgesetz vorgenommen hat, lässt man diese Norm und ihre Durchsetzung und Beachtung faktisch leerlaufen, weil kein solcher staatlicher Eingriffsakt vom Bürger rechtlich angegriffen werden kann, da auch ein einheimischer Bürger angeblich nicht selbst, direkt und unmittelbar betroffen sei.

Dass dieser Fall auf diese Weise vom Bundesverfassungsgericht nicht sachgerecht und transparent behandelt wird, zeigt, wie wachsam wir Bürger in Bezug auf diese undemokratische Entwicklung sein müssen. Es kann und darf nicht sein, dass eine derart grundsätzliche Klage und das Problem der Rechtsschutzverweigerung durch die Verwaltungsgerichte für einen Bürger, der um die Einhaltung der europäischen Naturschutznormen und die Bürgergrundrechte kämpft, durch das Bundesverfassungsgericht ohne substantielle Auseinandersetzung mit dem Problem und ohne jegliche Begründung abgelehnt wird.

Mit der faulen Ausrede, kein Bürger sei unmittelbar und direkt betroffen und habe nicht das Recht selbst gegen die rechtswidrige „Entnahme des Bären aus der Natur“ zu klagen, sprengt man fundamentale Grundsetze unseres grundrechtlich geschützten Rechtsschutzsystems.

Vielmehr handelt es sich bei unserer Bär-Bruno-Klage sehr wohl um die Klage eines unmittelbar und direkt sogar örtlich betroffenen Bürgers.

Es bleibt zu hoffen, dass im Europarecht auch dem sogenannten Interessenten ein Klagerecht gegen staatliche Akte im Flora-Fauna-Habitat-Bereich eingeräumt wird, weil sonst die Einhaltung dieser Naturschutzgesetze vom Bürger nicht kontrolliert werden kann.

Demokratie und Recht müssen ständig neu von jeder Generation erkämpft werden.

Nachdem Bär Brunos Halbbruder laut Pressemeldungen vom 06.10.2008 bereits vor Garmisch gesichtet worden sei, werden die bayerischen Behörden hoffentlich nunmehr überlegter und weniger panisch und jagdgierig handeln.

30.04.2008: BÄR-BRUNO-VERFASSUNGSBESCHWERDE zum BUNDESVERFASSUNGSGERICHT eingereicht.

RA Riechwald hat gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes und das Urteil des Verwaltungsgerichts München, die die Feststellungsklage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abschusses des Bären Bruno als unzulässig abgewiesen haben, Verfassungsbeschwerde zum BVerfG eingereicht.

31.03.2008: BayVGH: BÄR-BRUNO-KLAGE unzulässig, Berufung nicht zugelassen!

Der 14. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (BayVGH) hat am 18.03.2008 den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München, dass die Feststellungsklage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abschusses des Bären Bruno unzulässig sei, weil kein Bürger (und damit auch kein Naturschutzverband) klagebefugt sei, zurückgewiesen.

Man gibt dem Freistaat Bayern sozusagen einen Freibrief, solche Abschussverfügungen eines streng geschützten Wildtieres ungeprüft durch Bürger und Gerichte zu verfügen, und die Bürger zusätzlich auch noch zu täuschen, indem man der Rechtsmittelbelehrung, dass die Abschussverfügung mit Widerspruch und Klage angefochten werden kann, keine Bedeutung zumisst.

Dies ist der Bankrott unseres Rechtsschutzsystems. Mit der Argumentation, der Einzelne sei von dieser Maßnahme “der Entnahme des Bären aus der Natur” (wie es sarkastisch heißt) nicht direkt betroffen und nicht klagebefugt, können unsere Grundrechte, hier insbesondere das Naturschutzgrundrecht und das Gebot der effektiven Rechtsschutzgewährung völlig aus den Angeln gehoben werden. Der Staat darf viel unnütz vertanes Steuerzahlergeld ausgeben, strenge Europäische Naturschutzvorschriften missachten, ohne dass Bürger diese Verfahrensweise einer gerichtlichen Überprüfung stellen dürfen. Hier winkt immer mehr der autoritäre Staat, dessen Beamte unkontrolliert durch die Bürger und Judikative handeln können. Man halte sich vor Augen, dass der Freistaat Bayern in diesem Falle argumentiert hat, es habe eine Notstandssituation vorgelegen!

Diese Urteile der Bayerischen Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Richter vom Innenministerium ernannt werden, dürfen keinen Bestand haben. Ich werde Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht einlegen. Um unsere Grundrechte und um die nationale Durchsetzung von Europarecht muss wieder verstärkt gekämpft werden, Freiheit und Rechtsstaat sind keine selbstverständlichen Güter!

31.05.2007: Die BÄR-BRUNO-KLAGE wurde am 31.05.2007 vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München verhandelt und als unzulässig abgewiesen.

Jeder Bürger kann sich durch die Veröffentlichung des Widerspruchs und der Feststellungsklage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Allgemeinverfügung (Abschussgenehmigung) über die Zulässigkeit des Abschusses des Bären Bruno als sog. “Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse” ein Bild machen, wie mit unseren Bürgerrechten in Bezug auf Naturschutz und Tierschutz in diesem Falle umgegangen wurde.
Der Bär Bruno wurde in einer Art Panikreaktion von Behördenvertretern und ohne vorherige ausreichende Konsultierung der einschlägig fachkundigen Wildtiersachverständigen in übereilter und völlig unverhältnismäßiger und unnötiger Weise getötet. Es muss als abwegig bezeichnet werden, dass der Freistaat Bayern eine Notstands-maßnahme im Eilverfahren wegen des Auftauchens eines jungen Braunbären im bayerischen Oberland glaubte anordnen zu müssen. Diese Maßnahme geschah gegen den Willen eines Großteils unserer Bevölkerung. Nun soll sie nach Ansicht der Regierung von Oberbayern jedoch nicht rechtlich anfechtbar sein, weil weder der Kläger noch sonstige Bürger direkt und unmittelbar durch den Abschuss in ihren Rechten betroffen seien. Den Wortlaut des erst vor einigen Jahren präzisierten Artikels 141 der Bayerischen Verfassung, dass der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, auch eingedenk der Verantwortung für die kommenden Generationen der besonderen Fürsorge jedes Einzelnen und der staatlichen Gemeinschaft anvertraut sei und Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt werden, hat man in der angegriffenen Allgemeinverfügung (= Verwaltungsakt gegen Jedermann) weder erwähnt noch beachtet. Obgleich die Allgemeinverfügung sogar mit einer Widerspruchsbelehrung versehen ist, wird jetzt argumentiert, Widerspruch und Klage seien unzulässig. Eine solche Verletzung der Grundrechte der Bürger kann von einem fachkundigen Organ der Rechtspflege und im Oberland wohnenden Bürger Bayerns im Interesse aller Mitbürger nicht rechtlich widerstandslos hingenommen werden.

Durch reines Prozessurteil, dass die Klage unzulässig sei, weil ein einzelner Bürger keine Klagebefugnis und kein Klagerecht gegen die Abschussverfügung habe, wurde die Feststellungsklage nach mündlicher Verhandlung durch das Bayerische Verwaltungsgericht München am 31.05.2007 abgewiesen, ohne dass in eine Sachprüfung der Begründetheit der Klage eingetreten wurde.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München judiziert, dass eine derartige Abschussverfügung eines besonders durch europäisches Recht (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EG) geschützten Wildtieres durch einen einzelnen Bürger nicht durch eine verwaltungsgerichtliche Klage angreifbar sei. Dies ist umso schlimmer, weil sie auch nicht durch einen anerkannten Naturschutzverband angreifbar ist (vgl. § 61 BNatSchG), weil der Verein in solchen Fällen ebenfalls kein diesbezügliches Klagerecht besitzt.

Der europarechtlich gebotene und unbedingt erforderliche nationale Rechtsschutz der europäischen Naturschutzgesetze wird somit voll aus den Angeln gehoben. Man wird gespannt sein, was die Europäische Kommission zu einem derart mangelnden nationalen Rechtsschutzsystem in Deutschland in Bezug auf europäische Naturschutzvorschriften zum Schutze seltener Wildtiere sagt. Wenn eine nationalstaatliche Ausnahmeregelung vom strengen Schutzsystem der FFH-Richtlinie nicht national rechtlich überprüft werden kann, sind letztlich die EU-einheitlichen Normen nur Vorschriften auf dem Papier. Dies kann die EU-Kommission nicht hinnehmen.

Die Landesanwaltschaft Bayern hatte es in der mündlichen Verhandlung auch abgelehnt, einer gütlichen Regelung dieses Verfahrens durch gemeinsame Erklärung der Hauptsacheerledigung bei Übernahme der Gerichtskosten von € 363,00 durch den Freistaat und Übernahme der eigenen Anwaltskosten des Rechtsanwalts Riechwald durch ihn selbst zuzustimmen, weil der Freistaat Bayern offenbar erkannt hat, dass das Vorgehen im Falle des Braunbären Bruno nicht adäquat war. Inzwischen hat man nämlich im April 2007 einen sog. “Management-Plan Braunbären in Bayern, Stufe 1” durch das Bayerische Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz erlassen, der zumindest für die Zukunft ein geregelteres Verfahren bei solchen Bären-Einwanderungsfällen beinhaltet, so dass unverhältnismäßige Tötungsmaßnahmen wie im Falle des Bären Bruno nicht mehr so leicht vorkommen sollten.

Der Freistaat Bayern beharrt leider auf seiner Position, dass die Abschussgenehmigung rechtmäßig gewesen und eine verwaltungsgerichtliche Klage eines örtlich betroffenen Bürgers gegen diese Allgemeinverfügung unzulässig sei. Eine solche Haltung ist nicht Ausdruck der Forderung des Grundgesetzes, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat sei (Art. 20 Abs. 1 GG) und Akte der öffentlichen Gewalt, die den Bürger in seinen Rechten verletzen, ihm den Rechtsweg gewähren (Art. 19 Abs. 4 GG).

Man behauptet, dass das in der Bayerischen Verfassung in Art. 141 BV verankerte Grundrecht auf Naturgenuss in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in Verbindung mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 101 BV und dem Tierschutzgebot des Art. 141 Abs. 1 Satz 2 BV, dass Tiere als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet und geschützt sind, kein einklagbares subjektives öffentliches Recht des Bürgers sei, sondern allenfalls ein Programmsatz bzw. allgemeine Staatsaufgabe.
Diese Rechtsauffassung ist nach hiesiger Ansicht verfassungsrechtlich und europarechtlich nicht haltbar
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