Um die Abiturzulassung wird häufig gestritten. Wir halten z.B. die bayerische 0-Punkte-Regelung für unverhältnismässig und verfassungswidrig. Das BVerfG schreitet jedoch in den Eilverfahren nicht gegen negative Urteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein und Hauptsacheverfahren dauern so lange, dass sie faktisch bedeutungslos sind. Auf diese Weise erfolgt kein effektiver Grundrechtsschutz, wenn Verwaltungsgerichte die Entscheidung der Schule nicht aufheben.

Anschliessend eine für den Schüler positive Entscheidung des VG München, wie sie kürzlich in ähnlicher Weise auch vom VGH Mannheim getroffen wurde.

M3E 01.872
Bayerisches Verwaltungsgericht München

In der Verwaltungsstreitsache

bevollmächtigt:

Rechtsanwalt Rudolf Riechwald,
Habsburger Platz 2, 80801 München,
– Antragsteller –

gegen

Gymnasium der Benediktiner Schäftlarn, vertreten durch den Direktor, Schäftlarn, 82067 Kloster Schäftlam,

– Antragsgegner –

beteiligt:
Regierung von Oberbayern Vertreter des öffentlichen Interesses, Bayerstr. 32, 80335 München,

wegen

Zulassung zur Abiturprüfung hier: Antrag gemäß § 123 VwGO
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, S.Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Blößner, den Richter am Verwaltungsgericht Dietrich, die Richterin Huber,
ohne mündliche Verhandlung

am 30. April 2001

folgenden

Beschluss:

I. Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller vorläufig zur Abiturprüfung 2001 zuzulassen.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 4000,- DM festgesetzt.

Gründe: I.

Der Antragsteller besucht im laufenden Schuljahr 2000/2001 die 13. Jahrgangsstufe am Gymnasium der Benediktiner Schäftlarn. In den Ausbildungsabschnitten 12/1 und 12/2 hatte der Antragsteller in den Leistungskursfächern folgende Punktzahlen (Endpunktzahlen, doppelt gewertet) erzielt: Kunsterziehung: 12/1:17 Mathematik: 12/1: 03 12/2:15 12/2:05
Im Zeugnis über den Ausbildungsabschnitt 13/1 vom 1.2.2001 erhielt er in den beiden Leistungskursfächer die Punktzahlen (jeweils Endpunktzahlen, doppelt gewertet): Kunsterziehung: 15 Mathematik: 09
Außerdem enthielt das Zeugnis die Bemerkung: “Keine Abiturzulassung wegen Punktehürde bei Leistungskursleistungen: LK Mathematik ungenügend.” Die Punktzahl im Leistungskursfach Mathematik wurde aus den Punktzahlen in den beiden Schulaufgaben (5 und 3) und der Punktzahl für die mündlichen Leistungen (6) gebildet. Letztere Punktzahl ergab sich aus der Bewertung für laufende Unterrichtsbeiträge (8 Punkte) und den Bewertungen für drei als angekündigte Tests bezeichnete Leistungserhebungen (6, 5 und 5 Punkte), bei denen die Aufgaben den Schülern vorgelegt, von diesen schriftlich am Platz bearbeitet und von der Lehrkraft schriftlich nach einen festgelegten Notenschlüssel korrigiert wurden.

Mit Schreiben vom 21.2.2001 legte der Antragsteller Widerspruch gegen der Feststellung der Nichtzulassung zur Abiturprüfung 2001 im Zeugnis über den Ausbildungsabschnitt 13/1 ein, über den noch nicht entschieden ist.

Am 22.2.2001 beantragte der Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht
München im Wege der einstweiligen Anordnung sinngemäß,

den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig zur Abiturprüfung 2001 zuzulassen.

Zur Begründung führt er eingehend aus, die normative Festlegung der Endpunktzahlen von mindestens 10 Punkten in vier Halbjahresleistungen gemäß in § 75 Abs. 1 Nr. 2 GSO sei willkürlich und deshalb rechtswidrig und verfassungswidrig. Bereits 8 Punkte der doppelten Wertung (= 4 Punkten gemäß § 51 GSO bei einfacher Wertung) stellten eine „ausreichende” Leistung dar und müssten daher sowohl für die Abiturzulassung wie zum Bestehen des Abiturs ausreichen.

Der Antragsgegner trägt unter näheren Ausführungen vor, die in § 75 Abs. 1 Nr. 2 GSO enthaltene Regelung sei verfassungsgemäß.

Die Regierung von Oberbayern als Vertreter des öffentlichen Interesses beantragt

Antragsablehnung.

Sie macht geltend, die Vorschrift des § 75 Abs. 1 Nr. 2 GSO sei nicht zu beanstanden, und begründet ihre Rechtsansicht eingehend.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

U.

Der zulässige Antrag nach § 123 VwGO hat auch in der Sache Erfolg. Der Antragsteller konnte sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920, 294 ZPO).
Nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage besteht aller Voraussicht nach ein Anspruch auf Zulassung zur Abiturprüfung.

Nach § 65 Abs. 2 der Schulordnung für die Gymnasien in Bayern (Gymnasialschulordnung – GSO -) vom 16. Juni 1983, GVBI S. 681, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. August 2000, GVBI S. 636, ist ein Schüler des Ausbildungsabschnittes 13/2 zur Abiturprüfung zuzulassen, wenn neben der Erfüllung der in den § 65 Abs. 2 Nr. 1 – 4 GSO genannten Voraussetzungen außerdem nach § 65 Abs. 2 Nr. 5 GSO zum Zeitpunkt der Zulassung keine der Voraussetzungen des § 75 Abs. 1 Nr. 1 – 3, Nr. 5 und Nr. 9 GSO verletzt sind. § 75 Abs. 1 Nr. 2 GSO verlangt, dass in der Punktesumme aus sechs Halbjahresleistungen in den Leistungskursfächern – einschließlich der Punkte für die Facharbeit – mindestens 70 Punkte erreicht worden sind, darunter in vier von sechs Endpunktzahlen (doppelte Wertung) je mindestens 10 Punkte. Nach § 51 Abs. 4 Satz 2 GSO ergibt sich die jeweilige Endpunktzahl (doppelte Wertung) in den Leistungskursfächern für die Ausbildungsabschnitte 12/1, 12/2 und 13/1 durch

Verdoppelung des ungerundeten Durchschnittswertes aus den Punktzahlen für die beiden Schulaufgaben sowie die Punktzahl für die mündlichen bzw. praktischen Leistungen; das Ergebnis wird nach § 51 Abs. 4 Satz 3 GSO gerundet.

Die Frage der vom Antragsteller angezweifelten Verfassungsmäßigkeit des § 75 Abs. 1 Nr. 2 kann vorliegend dahinstehen, da der Antragsteller voraussichtlich die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt.

VG_Munchen_AbiZulassung_02
BayVGH_Abiturzulassung_75GSO_04
Trotz dieser Eilentscheidung des BayVGH wird die Bayer. Punktehürde zur Abiturzulassung insofern für verfassungswidrig erachtet, als zum Teil im besonderen Falle bessere als ausreichende Leistungen in den Leistungskursfächern zur Abiturzulassung erforderlich sind. Leider kommt es im Schulrecht wegen der langen Verfahrensdauer kaum zu höchstrichterlichen Hauptsacheentscheidungen und somit nicht zu einer Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht.